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Nächstenliebe: Warum die Armen sich nicht selbst helfen können

Die Krisen in der Welt bringen es einmal mehr zutage: Am meisten leiden diejenigen, die ohnehin nicht viel haben. Kein finanzielles Polster, keine Versicherungen, keine Krankenkasse, keine Arbeitslosenversicherung – kein Einkommen. Die Corona-Pandemie hat auch wieder die Ärmsten der Armen am härtesten getroffen. „Warum können sich die Armen eigentlich nicht selbst helfen?“, fragen sich viele. Die Antwort findest du in diesem Beitrag.

 

Von Steve Volke

 

 Ganz dummen Menschen fallen schon mal Äußerungen aus dem Mund wie: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“ Damit wird unterschwellig die Erwartung ausgesprochen, dass jeder für sein eigenes Leben verantwortlich ist. Und wer es nicht schafft, für sich selbst zu sorgen, dann bleibt Gott auch abwesend.

 

Vorsicht! Bevor du jetzt heftig mit dem Kopf schüttelst. Wie siehst du die Eigenverantwortlichkeit jedes Menschen? Natürlich sind wir für uns selbst verantwortlich. Christen haben darüber hinaus aber noch eine andere Aufgabe. Sie können sich nicht wegducken und ihre Verantwortung auf andere schieben, denn Jesus hat ziemlich klargestellt, worauf es bei der Nachfolge wirklich ankommt: „Liebe Gott, und deinen Nächsten wie dich selbst!“

 

Andere behandeln, wie man selbst behandelt werden will

 

 Christen, die den oben genannten dummen Spruch machen, begeben sich auf sehr dünnes Eis. Sie sollen sich nämlich nicht nur um sich selbst kümmern, sondern auch um anderen. Und das ist auch dringend geboten, trifft die weltweite Corona-Krise doch wieder die Ärmsten am meisten. Der Hunger hat zugenommen auf der Welt, und manche Experten sagen sogar, dass Corona sehr wahrscheinlich die zehn letzten Jahren mit positiven Fortschritten in der Entwicklungszusammenarbeit zunichte gemacht hat.

 

Aber wie ist es jetzt mit den Armen? Warum können die sich nicht alleine helfen? Wer näher an Menschen, die in extremer Armut leben, heran geht und sich mit ihnen unterhält, dem stellt sich früher oder später genau diese Frage.

 

Eine Antwort auf diese Frage habe ich im Slum von Kibera (Nairobi/Kenia) gefunden. Im Gespräch mit Christy und ihrem Mann Muendwa, die sich beide um den kleinen James kümmerten, wurde schnell klar, wo das Problem liegt. Ihr zweites Kind kann nicht bei ihnen leben, weil sie es nicht ernähren können. Muendwa war einmal Besitzer eines kleinen Hotels, wurde dann krank und konnte nicht mehr arbeiten. Das hat die junge Familie an den Rand ihrer Existenz gebracht. Gefragt, was er machen würde, wenn er einmal viel Geld hätte, entwickelte er sofort seinen Unternehmergeist und sprach davon, wie er wieder ein Business eröffnen würde. Er würde sich also gerne um sich und seine Familie kümmern. Kann er aber nicht – aus gesundheitlichen Gründen.

 

Das Hauptbestreben dieser kleinen Familie ist es ausschließlich, bis zur nächsten Mahlzeit zu überleben und Wege zu finden, wie es überhaupt eine nächste Mahlzeit geben kann.

 

Bei einer anderen Reise habe ich eine junge Mutter in Tansania in einem Dorf besucht. In ihrer ärmlichen Hütte stand auf einem Balken ein kleines Glas, das wir benutzen würden, um einen gebrauchten Teebeutel abtropfen zu lassen. Auf meine Frage, wofür denn diese kleine Schale sei, sagte sie prompt: „Damit gehe ich einkaufen!“ – Einkaufen? – „Ja, wenn ich mal ein bisschen Geld habe, kaufe ich damit einen oder zwei Tropfen Öl, damit ich abends einen kleinen Fladen dünnes Brot auf einer Blechscheibe backen kann.“


Was wirklich gebraucht wird

 

 Manchen von uns ist vielleicht die Maslow´sche Bedürfnispyramide ein Begriff:

Sie zeigt, welche Bedürfnisse Menschen haben, und wie die nächste Stufe der Bedürfniserfüllung ist. Und hier liegt der Schlüssel: Für Menschen, die in extremer Armut leben müssen und die nicht wissen, wie sie den nächsten Tag überleben sollen, ist die unterste Stufe nicht erfüllt.

 

Sie müssen 90 Prozent ihrer Energie aufwenden, um überhaupt zu überleben. Da ist kein Platz für andere Bedürfnisse. Als nächstes kommt Sicherheit und erst danach soziale Bedürfnisse, wie z.B. das Pflegen von Freundschaften, wobei das oft auch parallel läuft.

 

Und weil das so ist, haben die Armen keine Energie, ihr Leben aufzubauen und an die Zukunft zu denken. Ihr Alltag ist mit dem Grundbedürfnis „Nahrungsbeschaffung“ belegt. Und sie leben dabei im wahrsten Sinn des Wortes „von der Hand in den Mund“ und „von heute auf morgen“. Und ohne Hilfe von außen, bleiben sie auf dieser untersten Stufe hängen, weil sie sich erstmal darum kümmern müssen, den nächsten Tag zu überleben.

 

In Krisen wird es dann doppelt hart. So erlitten viele Länder weltweit einen Shutdown. Die Ärmsten hat es an den Rand des Lebens gebracht. Wer noch nicht einmal sein Tuch mit dem wenigen Gemüse am Straßenrand auspacken darf, hat für den Tag kein Einkommen. In Boliven zum Beispiel gab es eine absolute Ausgangssperre. Die Menschen durften maximal 1 Stunde am Tag ihre Behausung verlassen. Viele haben nun kein Einkommen, dafür gesellte sich ein neues Familienmitglied zu ihnen, das sie gerne ausgesperrt hätten: der Hunger.

 

Wie wir helfen könnten

 

Es könnte mir das Herz zerreißen, wenn ich an die Unterschiede auf der Welt denke. Während wir unser Augenmerk darauf richten, wie wir unseren Liegestuhl am Strand auf Mallorca reservieren können oder wann wir endlich wieder mit Freunden Feste feiern dürfen, verhungern viele Menschen. Ihre Bedürfnispyramide unterscheidet sich halt gravierend von unserer. Für viele von uns in Deutschland sind die unteren vier Bedürfnisse überwiegend erfüllt. Und so bleibt die Selbstverwirklichung als letztes Ziel übrig. Und das verfolgen wir sehr konsequent.

 

Was können wir tun, wenn wir nicht nur für uns selbst sorgen wollen, sondern die Aufforderung Jesu „Liebe deinen Nächsten“ wieder neu in den Blick nehmen wollen?

 

1. Informiere dich.

 Es gibt so viele Möglichkeiten in den Medien, sich eingehend zu informieren. Über die Situation der Armen, über Hilfsmöglichkeiten, über vertrauenswürdige christliche Initiativen und Hilfswerke, die vor Ort mit vertrauenswürdigen Partnern zusammenarbeiten, die garantieren, dass die Hilfe auch ankommt.

 

2. Frage Jesus, was du tun sollst.

Im Gespräch mit Jesus wird er dir deutlich machen, was du tun sollst und wo du am besten helfen kannst. Das kann eine Mitarbeit bei der Tafel in deiner Stadt sein oder auch die indirekte Mitarbeit vor Ort durch deine Spenden. Oder etwas Überraschendes, woran du niemals denken würdest. 

 

3. Trenne dich vom Geld, es hat eh keinen Bestand.

Wenn etwas in der nächsten Zeit deutlich wird, dann die Unbeständigkeit des Geldes. Jesus hat einmal gesagt, wir sollen uns „Schätze im Himmel sammeln“, die nicht von den Motten gefressen werden und die Bestand haben. Während unsere Währungen schwanken und abnehmen, bleibt die „himmlische Währung“ bestehen.

 

4. Wer Hunger hat, braucht Essen

Wenn wir nachhaltig helfen möchten, sollten wir mit dem Notwendigsten beginnen. Zurzeit scheint das in vielen Ländern des Globalen Südens Nahrung zu sein. Alle weiteren Konzepte, können danach wieder einsetzen.

 

5. Der Segen des Gebens.

In der Bibel gibt es einige Bibelstellen, in denen Verheißungen Segen versprechen. Zum Beispiel heißt es in 2.Korinther 9, 7: „Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“  Also: lasst uns reichlich fröhlich sein!